Drachenwunde

Gib dem Drachen Futter und zähme ihn.

Sieh dem Drachen,
Dem Gräßlichen, von der Schwarzen Sonne beglänzt,
In sein gleißendes, blind geschmähtes Auge.
Dem Drachen, der in der Tiefe wohnt. Dem Drachen der aufsteigt, der aufsteigen will in Dir.

Spüre den sengenden Atem seiner faulen gefräßigen Gedärme,
Gewickelt in die vertrocknete Haut von Generationen,

Der Lüge, die am Anfang

Aus den gespaltenen Zungen, dem Abgrund der Götter kam –
Der notwendig, doch nicht unabänderlich war

Durch das große Opfer

Aus den Schluchten des noch Unerkannten drängend
Steigen die ungeliebten Träume, der verlorene Glaube,
All die Sehnsüchte und nicht gelebten Visionen auf

Wie Schwaden des Erinnerns,

Wie Rauch über den versunkenen Träumen von Zivilisationen,
Deren Hochmut und Fall wir noch immer in uns tragen.

Weil uns der Glaube an das goldene Schwert aus den Händen fiel
Scheint uns nun unser Schicksal verworren, der leuchtende Faden,
der unsere Hoffnung durch die Zeiten trägt, für immer verloren.

Doch aus den Tiefen steigt der Drache wieder auf –
Zeig ihm die Wunde, die sein Herz offenbart.

Rolf Wolfgang Krauss