Ahnenspiegel

Gewidmet C.G. Jung

Dass ich nun, nach all den Jahren,
Die Augen öffnen darf und seh’n Dein Licht.
Die Schatten weichen, erst wenn die letzte Schale bricht.

Die Ketten, die mein Herz umschlossen
Und alle Freuden, die ich je genossen,
Sie sind nun nichts als bloß ein Hauch davor.

Denn all die Schatten, die ich selber warf,
Sie waren ja das Tor zu Dir und meinem wahren Selbst –
Durch das ich, von mir selbst geblendet, niemals schreiten konnte.

Und ich?

Ich stand bloß ratlos voller Zweifel, Angst und Haß davor
und doch brannte mein Herz oft lichterloh
Vor Sehnsucht, nach dem wahren Licht.

Die Seele kennt wahrhaftig weder Zeit noch Raum.

Erst wenn sie durch des Denkens Macht erwacht
Aus ihrem unbewussten Traum und eine neue Sprache lernt,
Ist sie erlöst von ihre(n)m unerkannten Ahnen –

Wird wieder neu und jung als wär’s für sie der erste Tag.

Der Spiegel, der in Dir zerbricht, lässt erst die Liebe wahrhaft leben.

Rolf Wolfgang Krauss